Dienstag, 18. Mai 2010

Multi-Channel-Commerce

Aus der Sicht eines auf die Akquisition, Aufbereitung und Ausgabe von Produktinformationen spezialisierten Unternehmens haben sich die Motivationsfaktoren für Kundenprojekte in den vergangenen Jahren massiv verändert. Enterprise Product Information Management (PIM) als mittlerweile unbestrittener, wichtiger Geschäftsprozess steht für unterschiedliche Problemlösungen entlang des Wegs marketing- und vertriebs-relevanter Produktinformationen durch die Unternehmenslandschaft.

Rückblickend lagen die Treiber für Enterprise PIM auf der Sellside. Es gab seit vielen Jahren spezialisierte Lösungen für die Ausgabeprozesse – vor allem für Print. Aber erst die Erkenntnis, dass PIM dann besonders nützlich ist, wenn bereits bei der Entstehung der Daten auf der Basis eines unternehmensweit einheitlichen Repository mit einem PIM Prozess begonnen wird, ergab diejenigen Lösungen, die es heute im Segment des Enterprise PIM gibt.

Die Themen, die mit Enterprise PIM in den Fokus der Projekte gerieten, waren die Konsolidierung von Lieferantendaten, die Entstehung des „Golden Record“ als unternehmensweiter „Ort der Wahrheit“, Internationalisierung verbunden mit einem prozessgesicherten Entstehungsprozess („Global-Local“) und natürlich die tiefe Integration in das Backend. Die Verantwortlichkeiten wechselten auch innerhalb der Unternehmen. Aus der teilautomatisierten Printlösung des Marketingleiters wurde Enterprise PIM der CIOs.



So wie sich Enterprise PIM in den Jahren 2002-2004 mit einem neuen Anspruch an die umfassende Bedeutung von Produktinformationen als Unternehmensprozess emanzipierte, steht heute eine neue Stufe der Entwicklung bevor. Der Markt fokussiert zunehmend Enterprise PIM als den „lange vermissten Bruder von E-Commerce“.

Aber von Anfang an: Welche Themen bestimmen heute die PIM-Projekte? Andrew White, Analyst bei Gartner, hat im Herbst 2009 erstmals die „MDM Ära“ als Nachfolgerin der „ERP Ära“ dargestellt. Gartner positioniert MDM als unternehmensweites Repository. Im Rahmen dieser Neupositionierung führte Gartner auch gleich einen neuen Begriff ein „MDM for Product Data“ anstatt PIM.
Der Vertrieb über mehrere Kanäle gewinnt an Bedeutung – egal, ob für B2C- oder B2B-fokussierte Unternehmen. Ein zielgerichteter Vertrieb über verschiedene Kanäle wie Online-Shops, Printkataloge und den Point of Sale eröffnet neue Zielgruppen und erhöht die Wahrnehmung im Markt. Gerade die Entwicklungen im Multi-Channel Commerce begünstigen die Idee einer zentralen PIM-Lösung. Die treibenden Themen sind Longtail, Multi-Site und die Veränderungen im Category-Management.

Longtail

Die Sortimentspolitik ist gerade im Distanzhandel einer umfassenden Veränderung unterworfen. Früher bedeutete Category-Management immer eingeschränkten Platz zu haben. Im Print-Katalog stand nur eine bestimmte Anzahl an Seiten zur Verfügung. Auch die Logistik war eingeschränkt: Lagerhaltung limitierte die Möglichkeiten so deutlich, dass die meisten Händler versuchten, das „perfekte Katalogsortiment“ mit der größten Anzahl an Topsellern zu finden.



In unseren Projekten sehen wir diese Sortimente in den Unternehmen. Man erkennt dabei sehr schnell, dass bei der Definition der Produktsortimente Kompromisse gemacht wurden. Meistens werden zum Beispiel nur bestimmte Marken geführt. Oder es wird eine Segmentierung der Warengruppen undZielgruppen vorgenommen. Für den Print-Katalog ist das alles sicherlich sinnvoll, aber Online-Shops haben diese Limitierung nicht!

Im stationären Handel muss das Warenangebot aufgrund der eingeschränkten Verkaufsflächen eng an der Kundennachfrage orientiert aufgebaut werden. Man achtet dabei also vor allem auf die Nachfrage der Masse, während alles, was nicht profitabel genug ist, häufig außen vor bleiben muss. Nicht verkauft werden dabei ziemlich viele Produkte - und genau das ist der "Long Tail". Abgeleitet ist der Begriff von der Abbildung einer Häufigkeitsverteilung.

Wenn man die Margen betrachtet, hat diese Verteilung natürlich ebenfalls eine sehr interessante Bedeutung: Die Margen sind bei den Schnelldrehern für die Masse in den allermeisten Branchen besonders gering. Nehmen wir einmal den Musikmarkt. Was glauben Sie hat eine höhere Gewinnspanne: Eine Single-CD aus den Top-Ten oder ein seltenes Sammler-Album? Natürlich das seltene Stück! Das heißt also, dass Händler nur aufgrund beschränkter Lagerfläche, beschränkter Seitenanzahl in einem Print- Katalog oder wegen limitierter IT-Systeme auf die vielen margenträchtigen Produkte verzichten mussten!



Der Longtail besteht aus einer Vielfalt von Produkten: Eine rare Flasche Wein, Special Interest Musik, exotisch geröstete Erdnüsse, aus dem Katalog gestrichene Filme, bestimmte, nur noch selten nachgefragte Ersatzteile. Die Liste ist endlos. An Produkten, die selten nachgefragt werden, herrscht kein Mangel. Verfügbar sind sie dagegen nur selten...

Das Internet liefert uns gegenüber anderen Vertriebskanälen erhebliche Kostenvorteile. Das digitale Kaufhaus besteht aus Servern, die jederzeit ganz einfach erweiterbar sind. Die Aufnahme eines neuen Produkts benötigt kaum mehr als ein paar zusätzliche Einträge in einer Datenbank. Und gegebenenfalls etwas Platz in einem der effizient zu betreibenden bzw. vom Dienstleister betriebenen Logistiklager - im Falle rein digitaler Produkte jedoch nicht einmal mehr das: Einen digitalen Song durchs Netz zu schicken kostet den Verkäufer so gut wie nichts.

Die Frage ist nun, warum die Shopbetreiber nicht schon seit Jahren ihre Verkaufssortimente massiv vergrößern. Warum finden wir bei den typischen B2C-Versendern 300.000 und nicht 3 Millionen Artikel? Die führenden Shop-Systeme und die Suchmaschinen sind für diese Sortimentsgrößen ausgelegt. Das wäre kein großes Problem.

Es gibt natürlich ein Problem: Bevor Produkte in einem Shop präsentiert werden können, müssen die Produktdaten vom Lieferanten bezogen und aufbereitet werden. Die Sortimente sind oftmals auch deswegen beschränkt, weil die Produktdaten nicht effizient gepflegt werden können.
Genau hier setzen neue PIM-Strategien an: Mit einer Enterprise PIM-Lösung haben Händler die Möglichkeit, extrem große Sortimente aufzubauen und zu verwalten. So erhält der Händler erstmals einen durchgängigen Prozess: Lieferanten stellen ihre Sortimente elektronisch zur Verfügung. Diese Daten werden geprüft und zentral abgelegt. Dann erfolgt die Strukturierung und Aufbereitung für die Präsentation in den Shops.


Multi-Site

In den vergangenen Jahren war eine starke Tendenz zur Vertikalisierung von Herstellerunternehmen im Handel zu beobachten. Nicht nur, dass die Hersteller mit eigenen Fachgeschäften (Flagshipstores) um anspruchsvollere Kundschaft werben und ihre Marke positionieren, auch versuchen die Hersteller mit eigener Angebotspräsentation im Betrieb des Einzelhandels ihre Absatzposition zu verbessern. Diese integrierte Angebotspräsentation wird als Shop-in-Shop bezeichnet. Retailer etablieren also zunehmend marken-/herstellerspezifische Webshops.

Neben den Shop-in-Shops entstehen zudem zunehmend zielgruppenspezifische Präsenzen. Untersucht man die Online-Strategien der großen Versandhändler, findet man eine zunehmende Diversifikation der Marken und gleichzeitig eine zunehmende Tendenz zu Cross-Selling. SportScheck verkauft eine Adidas- Sporthose im Adidas-Markenshop, in sportscheck.de, über otto.de als Cross-Selling und in anderen Plattformen, wie zum Beispiel amazon.

Michael Fieg von Heiler Software hat wesentliche Inhalte zu diesem Block geliefert. Herzlichen Dank Michael!

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